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So testet Liebherr auf dem alten Truppenübungsplatz
Klima-Wechsel
Der Winter geht, Liebherr kommt. Im Herzen der Biosphäre reifen
die Megakräne der Ehinger schneller zur Serienreife als der Wacholder
von der Blüte zur Frucht.
Tief
grollt die pure Kraft irgendwo zwischen den vorderen drei Achsen dieses
sattorangenen 160-Tonners von Liebherr hervor. Testfahrer Josef Dentler
tippt auf den Tasten des Bedienpults flink wie eine Sekretärin am
PC. Alles wird elektronisch gesteuert.
Die Fahrgänge des Getriebes, die Lenkung und die 370 KW des fast
1,5 Meter langen 6-Zylinders, der das bullige Drehmoment aus 13 Litern
Hubraum schöpft.
Ja sogar den Wenderadius und die Lenkung jedes einzelnen Rades des Liebherr
LTM 1160-5.1 dirigiert Tester Dentler mit nur sanftem Fingerspiel.
Draußen, im gedämpften Licht durch die getönte Frontscheibe,
schieben die zehn hüfthohen Räder die Betonplatten der Panzerringstraße
lautlos unter sich weg. Kein Tack Tack, im angenehm klimatisierten Fahrgastraum
dringt weder der Belagslärm, noch das tiefe Grollen des Motors ans
Ohr. Dafür bietet die fast drei Meter breite Windschutzscheibe ein
Panorama, wie man es in Deutschland nicht mehr findet:
Das Münsinger Hardt mit einem seit über 100 Jahren konservierten
Landschaftsbild breitet sich aus. Weder extensive Agrarwirtschaft, noch
Neuordnungen der Flächen konnte die Natur in geradlinige, monotone
Planquadrate hineinstutzen. Hier verlaufen die Waldränder noch sanft
in Magerrasenflächen hinein. Buchen wachsen und fallen. Rehe, Füchse,
Libellen und zahlreiche Vogelarten atmeten unter der Herrschaft des Militärs
tief die würzigste Luft Baden-Württembergs ein 100 Jahre
entfernt von Stadt und Lärm.
Josef
Schick, Leiter der Versuchsabteilung des Liebherr-Werks in Ehingen, freut
sich auf jeden Test im ehemaligen Truppenübungsplatz. Oft wünsche
ich mir meine Kamera zur Hand, schwärmt der Hobbyfotograf.
Denn trotz eines harten Testalltags drängen und dringen die ungewöhnliche
Tierwelt, die Artenvielfalt der Pflanzen und Landschaftsbilder ins Cockpit.
Schick und seine 23-köpfige Crew müssen oft aufs Dach der Alb.
Denn vor jedem Start einer Neuserie fabrizieren die 2200 Beschäftigten
im Donautal bis zu vier Prototypen. Unter dem Sachverstand der Testcrew
reifen die Vorserienmodelle, wie eben jener 160-Tonner am 11. Januar,
zur perfekten Symbiose Maschine- Mensch heran.
Rund 10.000 Kilometer spult jedes der Fahrzeuge ab. Davon alleine
7000 auf der Panzerringstraße, schätzt Schick. Wer glaubt,
hier pflügen wildgewordene Raser durch die
Biosphäre wie Paris-Dakar-Piloten durch die Sahara, der irrt. 95
Prozent des Reifengummis lassen die Tester auf Asphalt. Grund: Die Hauptarbeit
bei den modular konzipierten Kranwagen liegt in der elektronischen Feinabstimmung
der einzelnen Komponenten. Nicht selten sitzen drei Software-Profis mit
ihren Laptops neben dem Steuermann des Stahlkolosses. Sie messen, interpretieren
die Daten und dirigieren.
War bei diesem Schaltvorgang genau an diesem Gefällstück nicht
ein unsanftes Ruckeln?
Oft fährt dann der Wagen genau an dieser Stelle bis zu 20 mal vor
und zurück, damit
die Software-Piloten dieses Makel aufpolieren können.
Das
wäre bei Testfahrten im normalen Straßenverkehr nicht möglich,
begründet Schick die Nutzung der Panzerringstraße. Außerdem
müsste auf öffentlichen Straßen stets ein Begleitfahrzeug
mit Wechselverkehrsanlage den gelben Koloss eskortieren, Brücken
müssten vor dem Überqueren abgesperrt werden Staus wären
programmiert.
Aus diesem Grund gehört Liebherr zu den ersten Mietern auf dem ehemaligen
Truppenübungsplatz. Die Ehinger nutzen nicht nur die große
Fahrzeughalle hinter dem alten Lager, sondern auch die 25-prozentigen
Rampen und Buckelpisten des Fahrschulgeländes unweit von Breithülen.
Derzeit wird die neueste Entwicklung des rund 800.000 Euro teuren Boliden
geprüft: Stolz dreht Testfahrer Dentler am Lenkrad und wählt
gleichzeitig am Steuerpult die Lenkprogramme.
Kopf rechts, Augen gerade aus. Präzise wie eine Kompanie im Gleichschritt
marschiert, drehen alle Räder nach rechts. Mit einer katzengleichen
Grazie verabschiedet sich der Koloss in eines der Hallentore am Gänsewag
im Herzen der Biosphäre. Gipfeltreffen: Hoch oben im Gänsewag
hinter dem Alten Lager rangieren statt Panzer nun Liebherr-Krane. (2006)
SPHÄRE WISSEN
Steuerkunst
Wer sich nicht bewegt, wird schnell überholt. Deshalb reiht sich
die Konkurrenz brav hinter die Kolosse aus Ehingen ein: Die schwäbischen
Tüftler aus dem Donautal verteidigen einen Weltmarktanteil von 42
Prozent.
Schon
seit der Firmengründung im Jahr 1949 von Hans Liebherr steuert das
Unternehmen auf Erfolgskurs. 22.000 Beschäftigte weltweit in über
100 Gesellschaften. Auf der Schwäbischen Alb gehört Liebherr
zu den beliebtesten Arbeitgebern.
80 Prozent der Auszubildenden werden bei Liebherr alt. Seit 1970 bis
2005 durchliefen 1010 Berufseinsteiger die kompetente Schule der Ehinger.
Tendenz steigend (138 in 2003, 148 in 2005). Gleichschritt: Bei Liebherr
bewegt sich alles in die selbe Richtung nach vorn. Auch die Räder
des LTM 1160-5.1.
Die gesamte Werksgruppe produziert vom Muldenkipper über Hafenkräne,
Klimageräte bis hin zu Kühl- und Gefriergeräten für
den Haushalt ein Programm mit mehr als 300 Grundmodellen. Mit dem Mobilkran
LTM 1160- 5.1 machte die Redaktion Sphäre eine hohe Bekanntschaft:
Bis in 62 schwindelerregende Meter hinauf befördert der Fünfachser
seine Last.
Damit die Fahrzeuge die Baustelle zielsicher ansteuern, hat Liebherr
vor zwei Jahren die hinteren Achsen mit aktiver Lenkung ausgeführt
(siehe Foto), vorwählbar über sechs Programme.
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