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Aussichts-Spezial
Hohe Sphäre
Atemberaubende
Aussichten zeigt die Schwäbische Alb aber nicht nur von den
stählernen Kolossen auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz. Tolle
Perspektiven bieten auch zahlreiche andere Türme, die Hangkanten
oder die vielen Burgen.
Die Autoaufkleber mit der selbstbewussten Botschaft Älbler
zwecks em Überblick sieht man zwar nicht mehr oft. An der Tatsache
ändert dies nichts: Die ausgesetzte Lage auf dem Hochplateau prägte
nicht nur Landstrich und Leute, sondern macht auch den besonderen Reiz
der Schwäbischen Alb aus. Der weite Blick über Land und hinunter
ins Tal übt eine Faszination aus, der sich keiner so leicht entziehen
kann. Und wo Bäume die Sicht versperrten, haben die Menschen Türme
gebaut um den Überblick nicht zu verlieren.
Türme im Platz
Seit 1. April 2007 gibts noch mehr Übersicht: Im Herzen der
Biosphäre, auf dem Gelände des ehemaligen Truppenübungsplatzes,
wurden vier der ehemals militärisch genutzten Beobachtungstürme
für Panoramajäger freigegeben. Wer die Aussicht über die
Wipfel der Bäume bis zum fernen Horizont genießen möchte,
muss schon schwindelfrei, konditionsstark und ein bisschen unerschrocken
sein. Denn der Aufstieg hat es in sich: Der Hursch mit seinen über
40 Metern Höhe ist nicht jedermanns Sache, warnt Gerhard Walker,
Vorsitzender des Albvereins-Lenkungsausschusses für die Biosphäre.
Der ist wirklich sehr hoch und schwankt auch schneller als die anderen.
Wagemutige haben ab sofort an Sonn- und Feiertagen den ganzen Tag Gelegenheit,
die unzähligen Stufen der Stahlgitter-Giganten zu erklimmen. Belohnt
werden sie mit dem erhebenden Gefühl des Gipfelstürmers und
Biosphären-Rundblick satt.
Aussicht ganz ohne Nervenkitzel gibts vom kleinsten der vier erhaltenen
Militärtürme: Der Sternenbergturm steht auf einer Anhöhe.
Man hat von dort immer den gleichen grandiosen Blick egal, ob man
vor oder auf dem Turm steht, erklärt Günter Walter, Ermsgauvorsitzender
des Albvereins, lachend. Auch samstags und unter der Woche kann jedermann
die vier Türme erklimmen, allerdings muss man sich zuvor gegen Kaution
den Schlüssel zum jeweiligen Turm besorgen.
Seit Abzug der Bundeswehr ist der Schwäbische Albverein für
Erhalt und Unterhalt der vier Militärveteranen verantwortlich. Ehrenamtliche
Betreuerteams kümmern sich nicht nur um Schlüsselausgabe und
Öffnung der Aussichtstürme, sie sehen dort auch das ganze Jahr
über nach dem Rechten. Wir werden dort aber nicht ständig
kontrollieren, sondern vertrauen vielmehr auf das Verantwortungsbewusstsein
der Besucher, betont Walker. Dass man bei Gewitter exponierte
Stellen meidet, weiß jeder. Und bei Sturm wirds jedem schnell
vergehen, sich da oben aufzuhalten, ist er sich sicher.
Schon zu Militärzeiten durften sich aus statischen Gründen nur
maximal zehn Personen auf den Stahltürmen aufhalten. Daran hat sich
auch nach den Umbauarbeiten und der Öffnung der Türme für
die Allgemeinheit nichts geändert. Sehr wohl geändert hat sich
aber die Sicherung der Bauwerke. Rund um deren Standfläche wurden
zum Schutz vor Vandalismus Doppelstabgitter- und Maschendrahtzäune
errichtet. Daneben war das beauftragte Münsinger Architekturbüro
Gehr & Hintzenstern vor allem mit dem Ausbau der Treppenaufgänge
und Aussichtsplattformen beschäftigt. Die verzinkten Stahlgittertürme
in Konstruktionsart von Überlandleitungsmasten für die Stromversorgung
waren bei der Übernahme in sehr gutem Zustand. Allerdings: Das
Geländer bestand nur aus einem Handlauf mit Kniestab, erinnert
sich Manfred Gehr an die luftige Erstbesteigung. Inzwischen sind die Treppen
mit zusätzlichen Geländerstäben kindersicher und die Plattformen
mit Edelstahlgitternetzen umspannt. Obwohl Gehr als Architekt auch größere
Höhen gewöhnt ist, ließen ihn das leichte Schwanken der
Stahlkonstruktion und die freie Sicht durch die Gitterroste zuweilen mit
dem Schwindel kämpfen: Insbesondere auf dem B1(Turm Hursch
bei Zainingen) war ich immer froh, die Schutz- und Beobachtungshütte
der Plattform und damit eine gewisse Geborgenheit erreicht zu haben,
gibt er zu. Unter der Bauleitung des Architekturbüros arbeiteten
insgesamt neun Handwerksbetriebe, vom Vermesser über den Elektriker
bis hin zur Putzkolonne, an den Türmen und sorgten dafür, dass
vor allem die drei Stahlgiganten nun ohne Bedenken von Jung und Alt bestiegen
werden können.
Die
Modernisierung aller vier Türme verschlang rund 130.000 Euro. Ein
Viertel davon wurde allein in Schrauben, Rohre, Flach- und Winkeleisen
und Edelstahlnetze investiert. Die Münsinger Firma Bühle fertigte
zur Sicherung der Türme rund 350 Rohrrahmen mit Netz, schweißte
bis zu 1400 Befestigungslaschen an und drehte rund 800 Schrauben ein.
Alles musste mit einem an der Aussichtsplattform befestigten elektrischen
Materialaufzug nach oben gezogen werden. Dies war nur bei absoluter Windstille
möglich, da die Last sonst ins Trudeln geraten wäre und sich
in den Gittermasten verhakt hätte, erzählt Martin Bühle
von diesem außergewöhnlichen Auftrag. Bautechnisch zeigte sich
Architekt Gehr vor allem von der eleganten und feingliedrigen Stahlkonstruktion
und der losgelöst davon erbauten Treppentürme beeindruckt. Etwas
ganz anderes zog ihn aber bei jedem Baustellenbesuch in seinen Bann: Bei
gutem Wetter ist vom B1 aus der ganze Truppenübungsplatz zu überblicken.
Oft liegt in den Niederungen blendend weißer Nebel. Und mit etwas
Glück hat man in südlicher Richtung einen grandiosen Ausblick
auf die Alpen von Wien bis Basel, gerät er ins Schwärmen.
Die Klassiker
Die
Lust an der Fernsicht scheint den meisten Menschen angeboren. Gesellschaftsfähig
wurde der Genuss der schönen Aussicht aber erst spät: Ende des
19. Jahrhunderts berichtet die Geschichtsschreibung vom Bau der ersten
Türme, die nur der schönen Aussicht dienten. Allein im ehemaligen
Königreich Württemberg entstanden damals über 70 dieser
Himmelsstürmer. In den 1820er Jahren hatte das städtische
Bürgertum den Genuss der schönen Aussicht von den Anhöhen
der Schwäbischen Alb entdeckt. Die Albkraxler kamen in Scharen, um
Sonnenauf- und -untergang zu beobachten. Wo es keine natürlichen
Aussichtspunkte gab oder hohe Bäume die Fernsicht verstellten, bauten
Wandervereine und Gemeinden schließlich Aussichtstürme. In
der Allianz von bürgerlichen Natursehnsüchten, Geschichtsbewusstsein
und nationaler Denkmalspädagogik erhalten diese Bauten zwischen 1870
und 1914 eine besondere Anziehungskraft. Panorama, der unbegrenzte Überblick,
war ein Schlüsselwort der Zeit, schreibt Friedemann Schmoll,
Kulturwissenschaftler der Uni Tübingen. Überall am Albrand schossen
damals Türme in die Höhe, besonders nach Gründung des Schwäbischen
Albvereins 1888. Zunächst waren dies oft einfache Holzgerüste
mit Plattform. Später wurden daraus stabile Türme aus Holz und
stattliche Steinbauten.
Aussichtsfelsen
Mit dem Weitblick vom Turm im 360-Grad-Radius können
die Aussichtsfelsen der Biosphäre zwar nicht mithalten. Fernseh-Süchtige
kommen dort aber trotzdem auf ihre Kosten. Heute übt insbesondere
die Steilstufe des Albtraufs im Nordwesten der Mittelgebirgslandschaft
eine besondere Faszination auf die Menschen aus. Mehrere 100 Meter erhebt
sie sich aus dem Vorland und lässt den staunenden Betrachter an klaren
Tagen über die tief eingeschnittenen Täler am Albrand und Streuobstwiesen
des Vorlands bis nach Stuttgart und die Industriezentren im Neckartal
blicken. Wer am dicht bewaldeten Albrand entlang wandert erlebt bewegende
Momente, wenn Bäume und Büsche rund um die spärlich bewachsenen
Felsnasen zurückweichen und grandiose Ausblicke zulassen. Blick und
Geist weiten sich und nicht selten regt sich Neid beim Anblick der Vögel,
die die Thermik der Steilwand nutzen, um nahezu schwerelos entlang der
Kante zu segeln. Auch in den Trocken- und Flusstälern der Albhochfläche
prägen mächtige Felsen das Landschaftsbild. Die bizarren Steinskulpturen
scheinen der Erosion zu widerstehen. Tatsächlich verdanken sie ihre
Langlebigkeit den Urzeit-Schwämmen, die wie Korallen Riffe bauten
und so diese besonders harten Kalkformationen die so genannten
Schwammstotzen schufen.
Burgen und Schlösser
Im Mittelalter nutzte man die Felsköpfe der Alb zum Burgenbau. Nicht
wegen der schönen Aussicht, sondern weil sie sich dort auf Grund
des Weitblicks erfolgreich gegen ihre Feinde verteidigen konnten, verschanzten
sich die Menschen an den hoch gelegenen Orten. Als die Burgen im 15. Jahrhundert
mit dem Aufkommen des Schießpulvers und der damit verbesserten Waffentechnik
ihre ursprüngliche Bedeutung verloren, setzte der große Verfall
der Höhenfestungen ein. Plötzlich konnten die dicken Mauern
den neuartigen Geschossen nicht mehr standhalten. Erschwerend kam hinzu,
dass das Leben auf den Burgen noch nie behaglich gewesen war: Der Wind
pfiff durch jede Ritze, es war nass, kalt und es stank fürchterlich.
Und so wurden ein Großteil der luftigen Wohnsitze sich selbst überlassen.
Der herrliche Blick über Land wog in der dunklen Zeit des Mittelalters
nicht viel. Heute markieren die Überreste der ehemaligen Trutzburgen
die schönsten Aussichtspunkte im Land. Umgebaut zu fürstlichen
Schlössern, restauriert zu neuzeitlichen Wohnburgen, in den meisten
Fällen aber zerfallen zu geheimnisvollen Ruinen sind sie meist nicht
nur unverwechselbare Merkmale der Biosphäre, sondern auch romantische
Orte mit Weitblick-Garantie. (2007)
SPHÄRE WISSEN
WEITBLICK: Militärtürme auf dem Münsinger
Hardt
Koloss aus Stahl
Nun sind die Türme auf dem Platz sicher. Die Umbauarbeiten wie am
Turm Waldgreut verschlangen insgesamt 130.000 Euro. Die Münsinger
Firma Bühle fertigte zur Sicherung der Türme rund 350 Rohrrahmen
mit Netz, schweißte bis zu 1400 Befestigungslaschen an und drehte
rund 800 Schrauben ein.
Hursch; B1 (42 Meter Höhe):
Baujahr:
1981
Standfläche: 853 Meter über N.N.
Bauart: Stahlgitter-Turm
Erreichbar über: Zainingen (Bild rechts)
Waldgreut; B2 (20 Meter Höhe):
Baujahr: 1981
Standfläche: 864 Meter über N.N.
Bauart: Stahlgitter-Turm
Erreichbar über: Zainingen
Heroldstatt; B3 (30 Meter Höhe):
Baujahr: 1981
Standfläche: 818 Meter über N.N.
Bauart: Stahlgitter-Turm
Erreichbar über: Ennabeuren
Sternenberg; B4 (8 Meter Höhe):
Baujahr: um 1900
Standfläche: 836 Meter über N.N.
Bauart: Mauerwerk
Erreichbar über: Böttingen
RUNDBLICK: Türme der Biosphäre
Klassik hoch 3
Auch der Römersteinturm hat schon einige Jährchen auf dem Buckel:
1899 wurde auf dem Römerstein bei Donnstetten ein ausgemustertes
Vermessungsgerüst als begehbare Aussichtsplattform aufgestellt. Als
dieses 1904 der Witterung zum Opfer fiel, wollte keiner mehr auf die schöne
Fernsicht verzichten und so wurden eifrig Spenden für einen richtigen
Turm gesammelt. 1912 wars geschafft: Der neue Turm, eine verschalte
Holzkonstruktion auf einem massiven Steinsockel, konnte eingeweiht werden.
Direkt neben dem Turm liegen zwei Grillstellen.
Römerstein
(29 Meter Höhe):
Standfläche: 844 Meter über N.N.
Öffnungszeiten: ständig geöffnet
Erreichbar über: Rö.-Donnstetten
Zu den ältesten Turmbauten des Biosphärengebiets gehört
der Sternbergturm bei Gomadingen (Foto rechts). Bereits 1894 wurde auf
der höchsten Erhebung der Münsinger Alb eine alte Weidebuche
mit einem hölzernen Aussichtsgerüst versehen. Als das zusammenbrach
baute der Albverein 1905 auf dem Sternberg einen ersten 26 Meter hohen
Holzturm. Nachdem auch dieser in die Jahre gekommen war, wurde daneben
die dritte Turmgeneration errichtet: Der neue Himmelsstürmer war
nun 32 Meter hoch und wurde am 21. Mai 1953 feierlich eingeweiht. Auf
dem Sockel des alten Turms baute die Gemeinde Gomadingen 1980 ein Wanderheim.
Feuerstelle und Kinderspielplatz befinden sich in unmittelbarer Nähe.
Sternbergturm (32 Meter Höhe):
Standfläche: 844 Meter über N.N.
Öffnungszeiten: ständig geöffnet
Erreichbar über: Gomadingen
Buch- und Internet-Tipp:
Panorama-Reisetipps zu weiteren in herrlicher Natur gelegener Aussichtstürme
gibt es unter www.schwaebischer-albverein.de
und www.mythosschwaebischealb.info.
TALBLICK: Die Hangkante der Alb
Felsenriff
Wie geschaffen für eine Frühjahrstour auf der Schwäbischen
Alb ist die zwei- bis dreistündige Wanderung, die der Schwäbische
Albverein in seiner Expeditions-Box beschreibt. Gestartet wird die Tour
auf dem Teilstück des Hauptwanderwegs 1 am Wanderparkplatz
zwischen Holzelfingen und Ohnastetten kurz nach der Abfahrt Richtung Stahlecker
Hof. Dort steht eine große Tafel mit aufgezeichnetem Streckenverlauf,
der bei Bedarf in die eigene Karte übertragen werden kann. Im weiten
Bogen führt der Weg zunächst durch den Wald und dann auf schmalen
Pfaden immer am Albtrauf entlang. Es geht vorbei an zahlreichen Aussichtsfelsen
und Ruinen, die überwältigende Blicke ins Tal erlauben. Ein
echter Genuss für Wanderfreunde, die den Trubel scheuen. Denn trotz
der wildromantischen Wegführung bleibt dieser Geheimtipp von Besuchermassen
verschont.
Expedition Schwäbische Alb Der Hauptwanderweg 1:
7 Broschüren mit insgesamt 349 Seiten, zahlreichen Abbildungen und
Karten, in einer robusten Expeditionsbox aus Weißblech,
Oertel & Spörer, April 2004; 16,80 Euro
ISBN 3-88627-267-2
RÜCKBLICK:
Burgherren von heute
Hoch zu Stein
Früher feierte nur der reiche Adel fröhliche Feste auf der
Burg. Wer es sich leisten konnte, empfing Gäste, hielt Turniere ab
oder ließ Minnesänger zum Sängerwettstreit antreten. Heutzutage
hat glücklicherweise jedermann Zugang zu rauschenden Burgfesten:
zum Beispiel während des Kultursommers auf dem Hohen Neuffen. Seit
über zehn Jahren treten im Burghof der hoch herrschaftlich auf einem
Weißjurafelsen thronenden Ruine wechselnde Künstler auf. Auf
dem Programm stehen mittelalterliche Schalmeienklänge und Gauklerspäße,
aber auch Theatervorstellungen, fetzige Rockmusik oder gepflegter Jazz.
Burg Hohen Neuffen:
Kultur auf höchstem Niveau. Termine und Interpreten der
Open Air Veranstaltungen finden Sie unter www.hohenneuffen.de
oder telefonisch unter 07025/2206.
Südlich von Anhausen, dort, wo das Lautertal autofrei und besonders
romantisch wird, liegt hoch oben auf einer Felsterrasse mit herrlichem
Blick ins Tal das geschmackvoll restaurierte Hofgut Maisenburg. Wer Ruhe
zum Ausspannen und ein stilvolles Mittelalter-Ambiente sucht, findet dort
nicht nur drei großzügige Ferienwohnungen mit Burg-Flair, sondern
auch eine außergewöhnliche Location für´s nächste
Fest.
Hofgut Maisenburg:
Auskunft gibt Burgherr Markus Stoll, 72534 Anhausen übers Telefon
0172/8752651.
Internet: www.maisenburg.de
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