Echtes Back-Handwerk

Tradition & Handwerk: 3500 Jahre Brot – ein Handwerk schreibt Geschichte

Unser täglich Brot – die Menschheitsgeschichte verdankt der Backkunst ihren Überlebenserfolg. Hält doch diese genussvolle Grundnahrung unser Biokraftwerk am Laufen.

Brot ist Energie. Brot liefert die überlebenswichtigen Kohlenhydrate, das Eiweiß, die Vitamine und Mineralstoffe. Unser Biosprit Brot hält die Maschine Mensch in Schwung. Erst das Brot macht die im Getreidekorn gespeicherte Sonnenenergie für uns Menschen gut verwertbar. Dank dem Ur-Brot vor 6000 Jahren optimierte sich die Nahrungsaufnahme vom zeitraubenden Tagesgeschäft unserer Jäger-und-Sammler-Vorfahren auf ein Ritual, das der Menschheit viele Stunden schenkte – Stunden um zu denken, zu erfinden, zu entwickeln und zu produzieren. So besitzen wir heute Vieles, was das Leben angenehm macht.

Dinkelbrot, Einkornbrot, Linsenbrot, Brezeln, Weckle, Seelen, dass sich hier die Menschen in der Gebietskulisse des Biosphärengebietes privilegiert ernähren dürfen, liegt an der hohen Schule dieses Handwerks, der sich viele Alb-Bäcker verpflichtet fühlen (siehe Liste ganz unten). Wer sein Handwerk liebt, der verzichtet auf sogenannte Fertigbackmischungen, die den zeitaufwendigen, viel Gespür erforderlichen Sauerteig ersetzen. Dieser Trend, unser täglich Brot billig und effizient zu produzieren für Supermärkte und Tankstellen, kehrte aus den Industriebackhallen vor rund 20 Jahren auch in die heimeligen Dorfbackstuben ein. Das Bäckereisterben begann. Diese Handwerksgilde katapultierte sich mit Aufback-Brötchen- und Brezel-Teiglingen aus dem Gute-Genussbewusstsein der Menschen. Brot-Gourmets bemerkten den faden Geschmack der Fertigmischungen, die in Labors für Brotfabriken künstlich designt wurden. Augenfällig: Ein Nicht-Sauerteigbrot wird nach ein bis zwei Tagen hart und ungenießbar, während traditionelles Brot gut eine Woche Geschmack verspricht. Wer also keine Lust auf mit künstlichen Geschmacksverstärkern aufgepeppte Teiglinge hatte, begab sich auf die seinerzeit schwierige Suche nach einer Traditionsbäckerei seines Vertrauens. „Dies war unsere letzte Chance“, erinnert sich Heinrich Beck, seines Zeichens Bäckermeister und Chef von BeckaBeck, der ab dem Jahre 2000 mit Vollgas zurück in die Nische steuerte. „Einst zählte Bad Urach 16 Backstuben, heute ist es eine, besser gesagt keine, denn BeckaBeck, der Kurstadt letzter Qualitätsbäckerei schwamm sich frei, indem er in eine moderne Backstube in Römerstein auf dem Dach der Alb investierte, mit heute 13 Filialen. In direkter Nachbarschaft zu seinen Partnern, den Landwirten und Müllern, lebt er heute mit 16 Bäckern und 10 Konditoren die alten Traditionen, zugeschnitten auf die moderne Zeit. Dies bedeutet auch: Noch früher aufstehen als früher: „Zu meines Vaters Zeiten schwitzte man schon ab drei Uhr morgens vor dem Ofen“, erinnert sich Beck. „Schneller ging´s nicht.“ Heute helfen Maschinen beim Kneten, beim Einschießen in den Ofen und beim Herausholen. Hier erarbeitete sich das Handwerk einen Vorsprung durch Technik. Doch der Kunde wünscht mehr Vielfalt und beste Traditionsware schon ab sechs Uhr an den Frühstückstisch. Deshalb müssen die Vorteigbäcker, wenn der Betrieb althergebracht auf Fertigbackmischungen verzichtet, heute schon um 23 Uhr des Vortags den Teig ansetzen – für eine gute Reifezeit.

Zeit ist also Geld, daher leistet sich das Backhaus Veit aus Bempflingen: „Eile mit unglaublich viel Weile“. Geschlagene 40 Stunden Teigführung, berichtet Bäckermeister Norbert Wiese stolz, gönnt er beispielsweise seinen Premium-Brötchen, den sogenannten „Bempflingern“. Dafür nimmt Wiese logistische Klimmzüge in Kauf. „Bei 40-Stunden-Reifezeit müsse man fast ein Prophet sein, um die Nachfrage exakt zu planen. Doch die Backprofis bei Veit treten wie BeckaBeck den Wettlauf um Kunden an mit Handwerksehre und viel Geschmack statt einer bis auf Millisekunden durchrationalisierte Arbeitszeit. Klar, dass die Bempflinger und Römersteiner Bäcker nur Malz beimischen, auf künstliche Aromen und Zusatzstoffe aber verzichten.

„Viele Bäckereien besannen sich auf Regionalität. So bezieht BeckaBeck sein Getreide seit zwölf Jahren ausschließlich von der Alb (Römersteiner Mühle). Veit lässt sich feinstes Albkorn von der Mühle Luz (Buttenhausen) ins Tal liefern. Wer schon mal in Amerika oder England kulinarisch unterwegs war, weiß die hohe Qualität hier zu Lande zu schätzen. Weltweit soll die größte Brotvielfalt aus deutschen Back­öfen kommen. Unbestätigte Quellen munkeln von 300 Sorten. Dazu gehört auch feines Dinkelbrot, das der Römersteiner Bäcker zu seiner Leidenschaft erklärte. Ja, echte Liebe leuchtet in seinen Augen, wenn er spricht: „Die Schwäbische Alb ist die Heimat des Dinkel.“ Heiner Beck gab diesem Urkorn sein Zuhause wieder zurück. Er machte dieses „gesündeste Getreide“ gemeinsam mit den Landwirtskollegen nicht nur bei Allergikern wieder bekannt und schärfte damit das Bewusstsein für das Wichtigste im Leben – unser täglich Brot.

Tradition und Handwerk: Bäckerei auf der Schwäbischen Alb
Tradition und Handwerk: Backhäuser auf der Schwäbischen Alb

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Handwerk verpflichtet: Heinrich Beck, Chef von BeckaBeck, setzt mit seinen Backwaren voll auf Regionaöität.

 

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Printausgabe: Sphäre 1/2012, Seite 6-7

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Sphäre Wissen: Dinkel – ein gesundes Getreide

Dinkel – ein Urgetreide erlebt auf der Schwäbischen Alb seine Renaissance, nicht zuletzt, weil dieses goldbraune Korn bei Allergikern immer mehr Ansehen gewinnt. Weizen kann krank machen, nimmt er doch die giftigen Spritzmittel mehr auf als der weniger ertragreiche Dinkel. „Die Schwäbische Alb ist die Heimat des Dinkel“, erinnert sich Bäckermeister Heinrich Beck, der die Backtraditionen seines Vaters in seiner modernen Backstube aufleben lässt. „Das Nazi-Regime hatte seinerzeit den Dinkelanbau verboten“, weiß Beck. Die Kriegsmaschinerie brauchte Futtergetreide, der Weizen brachte den doppelten Ertrag.

So geriet dieses gehaltvolle Alb-Urkorn in Vergessenheit. Heute ernten wir 650 Millionen Tonnen Weizen jährlich. Bis 2002 etwa genauso viel wie Reis und Mais, wobei heute immer mehr die gelben Fruchtkolben als Biosprit-Pflanze den Brotmacher-Rohstoff von den Äckern verdrängen. Die Hälfte der Weltweizenernte verspeisen wir direkt unter anderem als Brot und halten so unseren Biomotor Mensch in Schwung. Der Brot-Prokopfverbrauch hierzulande beträgt 84,9 Kilogramm jährlich. Zum Vergleich: In Ländern mit deutlich moderaterem Fleischkonsum wie Türkei oder Iran landen 150 beziehungsweise 161 Kilogramm Brotbackkunst in den Mägen.

In Deutschland besitzt das Ackerland mit 33 Prozent der Gesamtfläche den größten Anteil am landwirtschaftlich genutzten Boden (rund 11,9 Millionen Hektar, 2011). Davon sind 6,5 Millionen Hektar (etwa 18 Prozent) mit Getreide bestellt.

Erst Brot machte aus uns Jägern und Sammlern ein sesshaft Volk. Alte Getreide wie Einkorn, Emmer und Dinkel als Vorstufe zum Weizen hatten die Hackbauern vor 6000 Jahren erst roh, später gemahlen als Brei und durch die Bibel in Moses, Kap. 12 erstmals gesichert überliefert als Sauerteigbrot verspeist.

Diese röstbraune Getreidefrucht passte auch nach dem Krieg nicht mehr in die Wirtschaftswunderzeit. Dinkel war und ist in der Mühlenverarbeitung aufwendig, Dinkelbrot braucht zur Vorbereitung einen Sauerteig. Diesen Vorteig aber sparten sich die Bäcker in den 60er Jahren – die Ära der maschinentauglichen Backmischungen begann.

Sphäre-Wissen: Bäckerschupfen – hohe Strafe für Lebensmittelpanscher

Heute jagt ein Lebensmittelskandal den nächsten. Grund: Unsere Regierungen kommen nicht ihrer Pflicht nach, das Gemeinwohl vor betrügerischen Mogelpackungen zu schützen. Ganz anders war es im Mittelalter. Bäcker, die ihre Kunden über den Ladentisch zogen, drohte eine empfindliche Strafe. Das Bäckerschupfen. So erzählt das Wiener Lexikon, dass der überführte Lebensmittelpanscher in einem Käfig mehrmals in die Donau getaucht wurde – natürlich unter dem Gejohle schadenfroher Zuschauer.

Sphäre-Wissen: Geschichte des Brotes in Stichworten

  • Verzehr der Getreidekörner in rohem Zustand, schwer verdaulich
  • Körner wurden zerquetscht und mit Wasser gekocht – es entstand ein Brei
  • Fladen gebacken aus getrocknetem Brei
  • Erstes in der Bibel überlieferte Sauerteigbrot ist datiert auf 1350 v. Chr.

Traditionsgebäcke im Zeichen der Jahreszeit

Gute Alb-Bäcker takten das Jahr mit feinen, saisonalen Backwaren. Am Beispiel des Jahresplans der Bäckerei BeckaBeck wird die Vielfalt und Tradition dieser Handwerkskunst deutlich.

  • Januar: Mutschel / Stern
  • Februar: Berliner, Fasnetsküchle
  • März: Palmbrezel
  • April: Bisquit-Lämmer
  • Mai: Zwetschgenkuchen
  • Juni/Juli: Beerenkuchen
  • August: Apfelweckle und Apfelbrot
  • September: Wimser Höhlenstollen
  • Oktober: Kartoffelbrot
  • November/Dezember: Schnitzbrot, Stollen, Blätterteigpasteten

Besuchertipp: Museum Brotkultur in Ulms Altstadt: hier >>

Fotos: Sphäre-Verlag biosphaere-alb.com; Quelle: Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik, Ausgabe 10/2011; Baecker.org, viennatouristguide.at; Grafik: Wikipedia

Sphäre-Wissen: Traditionsbäcker

Filialisten im Großraum Biosphärengebiet Schwäbische Alb (Mittlere Schwäbische Alb)

  • Bäckerei Veit (Bempflingen); www.baeckerhaus-veit.de
  • Bäckerei Marquardt (Engstingen)
  • Bäckerei Sautter (Eningen Achalm)
  • Bäckerei g.bäck (Laichingen) www.gback.de; DINKELBACKWAREN NUR AUF MÄRKTEN
  • Bäckerei Glocker (Gomadingen)
  • Bäckerei Mayer (Kohlberg)
  • Bäckerei Kirsamer (Laichingen)
  • Bäckerei Mangold (Laichingen)
  • Bäckerei Winter (Metzingen)
  • Biobäckerei Berger (Reutlingen)
  • Bäckerei Wucherer (Reutlingen)
  • Bäckerei Keim (Reutlingen)
  • Bäckerei BeckaBeck (Römerstein); www.beckabeck.de
  • Bäckerei Haug (Sonnenbühl)
  • Bäckerei Stoß (St. Johann-Upfingen)
  • Bäckerei Burk (St. Johann)
  • Biobäckerei Scholderbeck (Weilheim): www.scholderbeck.de / Artikel: Lebensgeist

Mühlen im Biosphärengebiet

  • Mühle Luz (Buttenhausen)
  • Böhringer Mühle (Römerstein)

 WEBcode #13306

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